Schreiben von Runen

Das Schreiben von Runen folgt an sich einfachen Regeln, die für denjenigen, der die Schriftzeichen anbringt, leicht zu befolgen sind und ihm große Freiheiten einräumt. Da das Deutsche wie das Voralthochdeutsche und das Altnordische zu den germanischen Sprachen zählt, ist es für uns noch heute relativ einfach, unsere moderne Sprache in die Runenschrift zu setzen.

Runenformen

Klaus Düwel hat die einzelnen Elemente erarbeitet, mithilfe derer alle Runenformen dargestellt werden können. Er unterscheidet dabei in Stab (langer, meist senkrechter, manchmal aber auch diagonaler Strich), Haken und Zweig. Haken und Zweige werden mit Stäben kombiniert, niemals Haken mit Zweigen. Stäbe und Haken können auch alleine darstehen, Zweige nicht.

 

Basiselement (Stab) Charakteristische Komponente
  (ohne) Haken Doppelhaken Zweig Zweige
(ohne)   ᛃ ᛋ ᛜ    
Stab ᚦ ᚹ ᚱ ᛈ ᛒ ᚾ ᛚ ᚠ ᚨ ᛇ ᛉ ᛏ
Doppelstab Λ ᚷ ᛗ ᛞ

Diese Runenformen stellen dabei Idealformen dar, die aber keinesfalls verpflichtend sind. Die Runenmeister haben sich bei den Runenformen viele Freiheiten gegönnt und so gibt es Runen, deren Varianten zahlreich sind (beispielsweise k oder ng).

Schriftrichtung

Die Runenschrift kann sowohl rechts- als auch linksläufig angebracht werden, auch Beispiele senkrechter Inschriften gibt es. Die rechtsläufige Variante hat sich allerdings in den meisten Fällen durchgesetzt. Bei mehrzeiligen oder kreisförmigen (Brakteaten) Inschriften, ist die Schriftrichtung dagegen variabler und muss erst ermittelt werden. Auch mehrmalige Wechsel der Schriftrichtung sind denkbar; geschieht dies abwechselnd spricht man vom Boustrophedon, also »wendend wie der Ochse beim Pflügen« (Krause, S. 29). Bei mehrzeiligen Inschriften, kann es sein, dass man unten, nicht oben, zu lesen beginnen muss.
Um die Schriftrichtung zu ermitteln, kann man sich an den Runenformen der unsymmetrischen Runen orientieren, die bei linksläufiger Richtung gespiegelt werden. Vorsicht ist allerdings bei Wenderunen (s.u.) geboten.
Mithilfe folgender Runen kann die Schriftrichtung ermittelt werden (beachte, dass sämtliche der ersten sechs Runen F U TH A R K dazugehören): ᚠ ᚢ ᚦ ᚨ ᚱ ᚲ ᚹ ᛒ ᚴ
Symmetrische Runen sind die folgenden: ᚷ ᛁ ᛉ ᛏ ᛗ ᛖ ᛞ ᛜ ᛟ Λ
Runen, die so häufig als Wenderunen auftreten, dass sie keine Auskunft über die Schriftrichtung geben können, sind: ᚺ ᚾ ᛃ ᛇ

Mitunter zeigen Zeichen das Ende eines Wortes an, diese können sehr stark variieren, etwa von 1-7 Punkten übereinander, 1-3 senkrechten Strichen übereinander oder gar liegende Kreuze. Diese Art der Worttrennung kommt allerdings selten vor und ist daher keinesfalls die Regel.
Eine Wortgrenze kann außerdem die Rune Algiz markieren, da sie ausschließlich bei auslautendem R/Z vorkommt, nicht im Wortinneren. Das kann bei der Entschlüsselung einer Inschrift helfen.
Als Schlussmarken bezeichnet man ein Zeichen, das keine Rune ist, und das den Ende des Textes markiert. Solch ein Zeichen findet sich beispielsweise auf dem Stein von Kylver in Form einer Art »Tannenrune«.

Begrenzende Linien, welche den Runentext einfassen, kommen manchmal, bei weitem nicht immer vor.

Binde-, Wende- und Sturzrunen

Von Anfang an ist die Runenschrift geprägt von gestalterischen Freiheiten, gedrehten Runen, zusammengeschriebenen Runen u.Ä.

 

Binderunen:

Als Binderunen bezeichnet man Runen, welche sich denselben Hauptstab teilen. Als Beispiel einer Inschrift mit vielen solcher Binderunen sei die Fibel von Bratsberg genannt. »Per definitionem« schließt Düwel Binderunen mit Isa aus, Arntz bemerkt jedoch, dass in nahezu allen Runenzeichen der Hauptstab für Isa stehen kann. Hierbei kann man entweder von Auslassung oder Binderunen mit Isa sprechen (Amulett von Bornholm).

 


Wenderunen:

Wenderunen sind Runen, die der Schriftrichtung entgegengesetzt gedreht wurden.

 


Sturzrunen:

Sturzrunen stehen auf dem Kopf. Da viele Runen dadurch allerdings keine graphische Veränderung erleben (symmetrisch) oder zu Wenderunen würden, kommt diese Variante für viele Runen gar nicht erst infrage. Einige Runen haben Sturzrunen als Variante, so etwa Algiz im älteren Futhark. Insgesamt sind Sturzrunen selten. Ein Beispiel hier ist das Schabmesser von Fløksand.

 


Spiegelrunen:

Äußerst selten kommen Spiegelrunen vor; gefunden hat man sie nur auf den dänischen Inseln, Schonen und Schleswig, etwa auf den Schildfesseln von Illerup. Dabei wird die Rune am Hauptstab gespiegelt.

 


Zierformen auf Runen:

Um Runen zu zieren, wurden Stäbe teilweise doppelt geritzt oder die Zwischenräume ausschraffiert.


Sprachliche Besonderheiten

Bei der Runenschrift spricht man in der Linguistik von einem »near perfect fit«. Als ein »perfect fit« bezeichnet man es, wenn es für jeden Laut einer Sprache ein Schriftzeichen gibt und jedes Schriftzeichen für nur einen Laut steht. Bei der Runenschrift handelt es sich nur nahezu um einen »perfect fit«, da es doch ein paar kleinere Ausnahmen gibt.
Grundsätzlich kann man allerdings festhalten, dass die Runenschrift so geschrieben wird wie die Sprache gesprochen wurde. Mit ein wenigen Besonderheiten:
Doppelte Laute (sowohl Vokale als auch Konsonanten) wurden nur einfach geschrieben, selbst am Wortende und Wortanfang in verschiedenen Worten.
Nasale dagegen (m, n) verschwinden vor »homorganen« Konsonanten, das heißt, vor Konsonanten, die an derselben Stelle wie der Nasal gebildet werden. Ein berühmtes Beispiel ist dafür der Kamm von Frienstedt, auf dem »kaba« steht. Hier wurde das m weggelassen, eigentlich heißt die Inschrift also »kamba«.

Anbringen von Runen

Runen wurden entweder eingemeißelt, eingraviert, eingeritzt, eingeschnitten oder eingekerbt (vgl. RGA), erst im Mittelalter wurden sie auch auf Pergament geschrieben. Auf den Steinen selbst ist sehr häufig die Rede davon, dass die Runen gemalt, also mit Farbe versehen wurden. Tatsächlich konnten auf einigen Runensteinen Farbreste nachgewiesen wurden.
Einzig auf dem Stein von Överselö ist die Rede vom Rotfärben der Runen »Steine […] gerötet von Runen«, wobei das Verb »rjóða« auch »mit Blut färben« heißen kann und sich in »literarischen Quellen vor allem auf Blutriten bei Opferungen [bezieht]« (vgl. Düwel, S: 35).
Bezeichnenderweise ist in Inschriften häufig vom Bemalen der Runen die Rede, wenn die Zeichen als von den Göttern stammend dargestellt werden:

  • Stein von Noleby: »Eine Rune male ich, eine von den Ratern (den göttlichen Mächten) stammende.«
  • Stein von Sparlösa: »Und rate (deute) die Runen da, die von den Ratern (Göttern) stammenden.«

Dieser Wortlaut findet sich auch im Hávamál, Strophe 80: »Das ist erprobt, wenn du nach Runen fragst, den götterentstammten, die die mächtigen Götter schufen und die Odin malte.«

(Übersetzungen nach Klaus Düwel, S. 36)


Quellen:

Arntz: Arntz, Helmut, Handbuch der Runenkunde, Edition Lempertz, Königswinter 2007 (1944).
Düwel: Düwel, Klaus, Runenkunde, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart Weimar 2008.
Elliott: Elliott, Ralph W. V., Runes. An Introduction, Manchester University Press St. Martin’s Press, New York, 1989 (1959).
Krause: Krause, Arnulf, Runen, Marixverlag, Wiesbaden 2017.
RGA: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd 25, Walter de Gruyter Verlag, Berlin & New York 2003.
Beck: Beck, Heinrich, Das Fuþark und Probleme der Verschriftung/Verschriftlichung, In: Ergänzungsbände zum RGA 51: Das Fuþark und seine einzelsprachigen Weiterentwicklungen, Hrsg: Beck, Heinrich, Geuenich, Dieter, Steuer, Heiko, Walter de Gruyter Verlag, Berlin & New York, 2003.

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