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ABC Nord
*fehu
fé
fä
fiu
feoh, fech
fe, faíhu?
feu
Lautwert:
Übersetzung:
Ordnung:
f
Vieh (beweglicher Besitz, Reichtum)
1. Rune, 1. Ætt
Die Form von Fehu findet sich nicht in den norditalischen Alphabeten, der Laut [f] wurde in Este (Venetien) zuerst mit vh transkribiert und schließlich zu F (aus dem Lateinischen übernommen)
vereinfacht. Unklar ist, ob ᚠ eine runische Variante dieses lateinischen F ist oder ob ᚠ so bereits in den alpinen Alphabeten vorkam und in die Runenschrift übernommen wurde.
Bei (1) scheint es sich um die älteste Variante von Fehu zu handeln, die sich schließlich in die Form (2) entwickelte, bei der die beiden Nebenzweige am Hauptstab herabrutschen und diagonal nach
oben zeigen. Die gerundete Form (3) ist wohl die jüngste und bedeutet keine wesentliche Veränderung. Sie wird erstmals auf dem Brakteat von Grumpan belegt.
Wie auch im Lateinischen pecu „Schaf“ zu pecunia „Geld“ umgewandelt wurde, scheint auch das germanische fehu, Vieh, die weitere Bedeutung „Geld und Reichtum“ erhalten zu haben. Arntz meint, die Grundbedeutung Vieh sei vollkommen verschwunden, kann den genauen Zeitpunkt aber nicht angeben.
Fehu steht für das f.
Feoh byþ frofur
fira gehwylcum
sceal ðeah manna gehwylc
miclun hyt dælan
gif he wile
for drihtne domes hleotan.
f Reichtum ist Trost für jeden Menschen
jedoch soll jeder es reichlich austeilen,
wenn er vor Gott Anerkennung verdienen möchte.
f vældr frenda roge.
fỏdezt ulfver i skoghe.
(Reichtum) bewirkt den Streit der Verwandten,
der Wolf ernährt sich im Wald.
f er frænda róg
ok flæðar viti
ok grafseiðs gata.
aurum ylkir.
(Reichtum) ist Streit der Verwandten,
Feuer der Flut,
Weg der Schlange,
Gold.
Fä frande ro.
Besitz [ist] der Verwandten Ruhe.
Marstrander hielt es für möglich, dass in der Bedeutung Fehus der Gott Freyr mitschwingt, wie es auch für andere Runennamen vermutet wird. Bedeutendster, aber keinesfalls stichfester Hinweis
darauf ist der Name des ersten Ætts als Freys Ætt.
Elliott deutet Fehu als vitale Rune für das Leben einer bäuerlichen Gesellschaft. Bei seiner Unterteilung der Runen in „Welt der Götter und Giganten”, „Welt der Natur” und „Welt der Menschen”
ordnet er Fehu der Welt der Menschen zu.
Mit Fehu, beweglicher Besitz, beginnt das Futhark und hört bedeutenderweise mit Othala, dem festen Besitz, auf. Ein Zufall ist eher unwahrscheinlich.
Nach meiner eigenen Interpretation teilt sich das gesamte Futhark in Zweiergruppen auf, die sich jeweils gegenüberstehen. Die Gruppen stehen geschlossen zusammen, das heißt, sie folgen
chronologisch aufeinander. Fehus Nachfolgerune ist Uruz, der wilde Auerochse. Auf das gezähmte Rind folgt also der wilde Ur. Daraus lässt sich aus Fehu das menschennahe Vieh
schließen, die direkte und geschützte Umgebung des Menschen, die der gefährlichen Natur und ihren ungezähmten Wildtieren entgegensteht. Fehu ist das Tier, das man unmittelbar nutzen und
domestizieren kann, an dem man sich über Jahre bereichert und das Wohlstand beschert. Uruz dagegen kann nur bejagt werden und bringt einmaligen Wohlstand. Diesem einmaligen Glück steht allerdings
der lebenslange Ruhm entgegen, der jungen Männern der Germanen zukam, wenn sie einen Auerochsen erlegten.
Fehu steht für den beweglichen Besitz beziehungsweise dem Namen nach für das Vieh, das bei den Germanen ursprünglich das Synonym für den Reichtum schlechthin war. Hierbei spielt die Beweglichkeit
von Fehu nicht nur darauf an, dass sich das Vieh von einem Ort zum anderen fortbewegen kann, sondern auch, dass dieser Reichtum problemlos an andere weiterverschenkt (und eben nicht, wie Othala,
in erster Linie vererbt wird) sowie in einem schlechten Jahr verringert oder in einem guten Jahr vermehrt werden kann. Fehu ist also nicht stet.
Allerdings ist Fehu nicht nur das Ergebnis, sondern auch die harte Arbeit, um diesen Reichtum zu erlangen. In Fehu bündelt sich Fleiß, Betriebsamkeit, Arbeit und steht für produktive, positive
Kraft. Es ist die Morgenstunde, in der man aufs Feld hinausgeht, den Acker bestellt, das Vieh versorgt. Fleiß führt zu Wohlstand: Die Familie ist satt, das Vieh gesund, die Felder tragen
Früchte.
Zwei Strophen des Hávamál beschreiben Fehus Wirken besonders deutlich:
Früh soll aufstehn,
wer vom andern begehrt
Leben oder Land:
Raub gewinnt selten
der ruhende Wolf
noch der Schläfer die Schlacht.
Früh soll aufstehn,
wem Arbeiter mangeln,
und eilig zur Arbeit gehn:
manches versäumt,
wer morgens schläft;
halb reich ist der Rasche schon.
(übersetzt nach Genzmer)
Fehu ist die Rune der Frühaufsteher und Fleißigen. Ihre Zweige deuten nach oben wie die Zweige eines Baums – in ihre Richtung wachsen die Pflanzen, die nach Größe streben. Sie ist die Rune des Frühlings und des Sommers und steht damit Ansuz entgegen, dessen Zweige nach unten deuten und somit nach innen gerichtet sind. Fehu treibt nach außen wie ein Trieb im März. Ihre Kraft ist nicht psychisch, sondern körperlich.
Auch optisch (in der Horizontalen) spiegelt sich Fehus Gegenkraft also in Ansuz wieder: Die Zweige deuten bei Ansuz nicht nach oben (Wachstum, Streben nach Großem), sondern nach unten (Innenwelt, in sich kehren).
Auf der vertikalen Spiegelachse steht Fehu mit Algiz in Verbindung und verdoppelt dessen positive Lebenskraft und Lebenswille. Dennoch ist Fehu keine Schutzrune, sondern eher eine Rune der guten Wünsche und Strebsamkeit.
Fehu entwickelt sich sowohl im jüngeren Futhark als auch im angelsächsischen Futhroc nicht weiter und behält Name und Lautwert.