Die Edda. Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen

Kurzinfos

Autor: Felix Genzmer

 

Verlag: Diederichs

 

Veröffentlichung (Original): 2012 (2006) (1912-1954)


Aufmachung

Sprache

Quellentreue


Felix Genzmers Edda in der Diederichs-Version von 2012 (zweite Auflage, erste 2006) besticht durch wunderschöne Gestaltung. In kräftigen Rottönen strahlt nicht nur das Cover, sondern auch Überschriften, Randverzierungen und knotenähnliche Bilder inmitten des Textes. Auf diese Weise wird das Lesen der Lieder zu einem Genuss für Auge und Ohr. Denn – auch die Sprache ist an Bildhaftigkeit und Wortgewalt unübertroffen. Wie kein anderer schafft es Genzmer, Stabreime wiederzugeben, Rhythmus einzubringen und somit den Texten einen Klang zu geben, wie man es in Übersetzungen meist vergeblich sucht. Jahrelang soll er daran gesessen haben, seine Übersetzung nicht nur ästhetisch zur Perfektion zu feilen, sondern auch in der Bedeutung dem Altnordischen so weit anzunähern wie nur möglich.
Umso trauriger daher, dass er ausgerechnet im Punkt Quellentreue nicht nur geschlampt hat, sondern willkürlich Hand anlegte. In der Überzeugung, dass das Originalmanuskript Fehler enthalte, und in der typischen Manier des letzten Jahrhunderts, in der man solche Fehler korrigieren zu müssen glaubte, hat Genzmer Strophen aus Liedern herausgetrennt und separat gemischt, wild herumgeschoben und so teilweise ganze Lieder zerrissen. Prominentestes Beispiel hierfür ist die Hávamál: In undurchschaubarem Chaos steht der eine Teil des Liedes da, alle Strophen durcheinandergewürfelt, um »mehr Sinn in die Sache zu bringen«. Weitere Teile wurden in einzelne Lieder gepackt, den übrig gebliebenen Rest finden wir in »Einzelstrophen und Splitter«, als wären sie ohne Sinn und Verstand einfach in das altnordische Original eingeflochten worden.
Aufgrund dieser tiefgreifenden Maßnahmen, ist es unmöglich, Genzmers Übersetzung als verlässliche Quelle für eine Edda-Lektüre heranzuziehen. Jedem Neuling oder an forschender Herangehensweise Interessiertem kann ich aus diesem Grund nur von Genzmer abraten. Für Besitzer einer anderen Edda oder Menschen, die lediglich die poetische Lektüre genießen wollen ohne allzu tief in philosophische und textinterpretische Fragen einzusteigen, hält dieses Buch jedoch sicherlich einige schöne Stunden bereit.

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