Islands Schrift wurde ebenso wie jene aus Norwegen insbesondere von England beeinflusst, dies geschah bei beiden Ländern aber unabhängig voneinander. Das ist aus dem eingeführten Runenzeichen
Thorn ersichtlich, das für den frikativen dentalen Laut (þ) verwendet wurde und heute noch verwendet wird. Hinzu kamen außerdem weitere eigene Zeichen, so æ und ø für /ai/ und /ö/.
Heute sind in Island über 1000 Manuskripte erhalten geblieben. Der Großteil davon entstammt dem 14. Jahrhundert.
1100-1200 | 1200-1300 | 1300-1400 | 1400-1500 | 1500-1550 |
10 | 120 | 520 | 220 | 170 |
Um ein Manuskript nach ortographischen oder paläographischen Kriterien datieren zu können, braucht es Vergleichsmanuskripte, deren Datierung feststeht (etwa indem dort Jahreszahlen oder bekannte historische Ereignisse genannt werden). Durch eine Reihe von Schlussfolgerungen konnten so Punkte ausgemacht werden, durch welche sich die isländischen Manuskripte zeitlich recht gut einordnen lassen.
Erst ab dem 13. Jahrhundert übernehmen die Isländer einige norwegische Eigenheiten, dazu gehört das Eth (ð), das allerdings nicht konstant bestehen bleibt. Anfangs wurden noch sämtliche dentalen Frikative mit þ umschrieben, unabhängig davon, ob sie stimmhaft oder stimmlos waren. Im 13. Jahrhundert wurde das ð für die stimmhaften dentalen Frikative eingeführt und nur ein Jahrhundert später durch ein einfaches d ersetzt (der Unterschied zwischen stimmhaft und stimmlosen Frikativ lässt sich an den englischen Wörtern „this” und „that” erkennen).
Moderne Schreibweise | þaðan | þjóð |
1150-1225 | þaþan | þjóþ |
1225-1375/1400 | þaðan | þjóð |
Ab 1375/1400 | þadan | þjód |
Eine Ausnahme dafür bilden allein Abkürzungen: þa ̅þ → þaþan (wird auch nach dem 12.-13. Jahrhundert verwendet).
Diese Veränderungen sind lediglich Veränderungen der Schreibgewohnheiten. Keinesfalls hat tatsächlich eine Veränderung der Aussprache stattgefunden.
Ein weiteres Hilfsmittel für die Datierung der isländischen Manuskripte ist die Form des F.
Daraus ergibt sich:
Bis etwa 1225
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Einzig karolingisches F
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1225-1375/1400
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Insulares F mit zwei horizontalen Punkten oder Strichen, das ab der Mitte des 13. zum zweibauchigen F tendiert
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Bis 1225-1375/1400 |
Alleinige Verwendung des zweibauchigen F
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Im Laufe des 13. Jahrhunderts veränderte sich die Endung der 3. Person Singular des Verbes von -sk hin zu -st. Im Laufe der Zeit veränderten sich die Gewohnheiten wie das zu schreiben sei sehr stark und lässt somit Schlüsse auf die Zeit der Entstehung des Manuskriptes zu. Das ſ bezeichnet das sogenannte lange s, es ist also eine Variante des geschwungenen s und wird im Mittelalter häufiger verwendet.
In der Tabelle sind die Varianten in einer Reihe nach Häufigkeit sortiert.
1175 | kallaſc |
1200 | kallaſc |
1225 | kallaſc, kallaz |
1250 | kallaz, kallaſc |
1275 | kallaz, kallaſc |
1300 | kallaz |
1325 | kallaz |
1350 | kallaz, kallazt |
1375 | kallaz, kallazt, kallazſt |
1400 | kallaz, kallazt, kallazſt |
1425 | kallazt, kallaz, kallazſt |
1450 | kallazt, kallaz, kallzſt |
1475 | kallazt, kallazſt, kallaz |
1500 | kallazt, kallazſt, kallaz |
1525 | kallazt, kallazſt, kallaſt |
1550 | kallaſt, kallazt |
1575 | kallaſt, kallazt |
1600 | kallaſt |
Ebenfalls sehr hilfreich, aber auch sehr komplex sind die sprachlichen Veränderungen. Dazu gehören Vokalverschiebungen, die sich allerdings erst bei genügendem Studium der altnordischen Sprache erschließen und die hier zu nennen zu weit führen würden. Außerdem ortographische Angewohnheiten wie beispielsweise die Palatalisation von g und k, der Buchstabe c, der den Buchstaben k verdrängt usw.
Anhand dieser Kriterien lassen sich isländische Manuskripte zeitlich sehr gut einordnen. Betrachtet man etwa den Codex Regius der Lieder-Edda, kann selbst ein Laie zumindest grob sein Alter
bestimmen.
Allein das Wort „hafið” („[er] hatte”) bietet schon einen guten Anhaltspunkt: Das F hat nicht länger die Form eines typischen karolingischen F, stattdessen hat es eine Unterlänge, die
beiden Querstriche sind punktähnlich aufgetragen, was auf die Zeit 1225-1350 hindeutet. Einen ähnlichen Hinweis gibt das ð, welches einzig um 1225 bis 1375 verwendet wurde. Die Zeit kann also
grob auf 125 Jahre von 1225 bis 1350 eingegrenzt werden. Mithilfe weiterer Schritte könnte diese Spanne noch weiter eingeengt werden („ec” anstelle von „ek”, die Häufigkeit des
runden r „ʀ”, Vokalverschiebungen). Tatsächlich wird der Codex Regius auf 1260-1280 datiert.
Wie in den meisten mittelalterlichen Texten verwenden auch die Isländer einige Abkürzungen ihrer häufigeren Wörter. Im folgenden eine kurze Liste:
h̅/h͞n, h͞a usw. = han, hana usw. (er, ihm usw.)
ſ̅ = segir ([er/sie/es] sagt)
þ̅ = þat (dass)
k͞gr = konungr (König)
ſ̅k = skall ([er/sie/es] wird)
(Hochgestellte Buchstaben können also solche nicht angezeigt werden und werden daher nur verkleinert daneben gestellt.)
gs = guðs
τi = til (bis)
ho = hon (sie)
Es gibt ungefähre Regeln, welche Buchstabenfolgen oben aufgesetzte Buchstaben ersetzen können:
a = va
e = re/ve
i = ri/ir/vi
o = or/ro
c = ik/ek
d/ð = eð/uð
m = um
n = in/an
r =ar
t = at/it (später auch að/ið)
Daraus ergeben sich beispielsweise „vr = var ([er/sie/es] war)”, „þi = þvi (also), gd = guð (Gott)”.
Punktierte Buchstaben oder Großbuchstaben inmitten des Wortes bedeuten Verdoppelung des Konsonanten:
þeɴa → þenna
hoġr → hoggr
Als einzelne Zeichen mit Begriffswert ist neben der tironischen Note (für „ok” also „und”) außerdem die Maðr-Rune ᛘ des Jüngeren Futhark erwähnenswert. Sie steht wie der Name schon sagt
für maðr, also Mann.