Die Geschichte der Langobarden (historia gentis Langobardorum) ist ein Geschichtswerk von Paulus Diakonus, der im 8. Jahrhundert lebte und sie in seinem Lebensabend verfasste. Sie umfasst sechs Bücher und ist unvollständig. Diakonus behandelt die Geschichte seit der Entstehung der Langobarden bis zum Tode von König Liudprand 744.
An dieser Stelle von Interesse ist einzig der Abschnitt über die Namensgebung der Langobarden, für die, der Erzählung zufolge, Wotan (Godan) und Frija (Frea) verantwortlich sind. Alle Texte sind übersetzt von Otto Abel.
Vor dem eigentlichen Text von Diakonus habe ich seine Quelle aufgeführt, da diese den speziellen Abschnitt der Namensgebung detailreicher behandelt.
Diakonus' Quelle
Otto Abels Übersetzung ist ein Text vorangestellt, dessen Ursprung unbekannt ist, der aber wohl aus der Blütezeit des Langobardenreis entstammt. Abel schreibt dazu in seinem Vorwort:
Nur eine einzige einheimische Geschichtsquelle besitzen wir demnach aus der Blütezeit langobardischer Macht, die schon darum, noch mehr aber um ihres bedeutsamen Inhalts und ihres altertümlichen, echt nationalen Gepräges willen übersetzt zu werden verdiente. Es ist dies die kurze Volksgeschichte, welche nach den Worten, mit denen sie anhebt, am passendsten die Geschichte von der Herkunft des Langobardenvolkes genannt zu werden schien. Dieses merkwürdige historische Denkmal wurde früher für einen Auszug aus Paulus gehalten und später erst als eine der Hauptquellen für die Langobardengeschichte des Paulus erkannt. Und zwar erwähnt er sie selbst (Buch 1, Kapitel 21) als das ‚Vorwort zu dem Gesetzbuch Rotharis‘. Zu dieser irrtümlichen Bezeichnung kam er dadurch, weil er diese kurze Geschichte in einigen Handschriften des Edictus Rothari fand, wie das ähnlich bei den Gesetzbüchern der Westgoten und Franken wiederkehrt. Von den drei jetzt bekannten Handschriften endet die älteste im Jahre 991 geschriebene Modenser mit dem Tod Kaiser Konstantins und im siebenten Jahre König Grimualds, also im Jahr 669, während die 1023 geschriebene Caveser und die ziemlich gleichzeitige Madrider nach König Pertari aufhören. Ist es nun auch nicht unmöglich, dass die Schrift in ihrer ältesten Fassung über Grimuald, ja noch über Rothari hinaufreichte, so ist es doch das wahrscheinlichere, dass sie wirklich erst im Jahre 669, also gerade hundert Jahre nach Gründung und etwa ein Jahrhundert vor Untergang des Reichs abgefasst wurde.
Diese altertümliche und gedrängte Erzählung hat Paulus Diakonus, wenn auch mit Veränderung oder Weglassung mancher einzelnen Züge, zu einer Geschichte des Langobardenvolks erweitert.
Diakonos' Erwähnung der Quelle
Buch 1, Kapitel 21
[...] Sollte das jemand für eine Lüge und nicht für wahre Tatsache halten, so lese er das Vorwort nach, welches König Rothari zu den Gesetzen der Langobarden verfasst hat, und er wird es fast in allen Handschriften, so wie ich es in meine Geschichte aufgenommen habe, erzählt finden. [...]
Die Quelle
Im Namen unsers Herrn Jesu Christi! Hier beginnt die Urgeschichte unseres Langobardenvolkes.
Es gibt nämlich eine Insel, die Skadan genannt wird, das heißt im Norden, und da wohnen viele Völker.
Unter diesen war ein kleines Volk, das man Winniler nannte, und bei ihnen war ein Weib mit Namen Gambara, die hatte zwei Söhne: der eine hieß Ybor und der andere hieß Ajo. Die führten mit ihrer Mutter Gambara die Herrschaft über die Winniler.
Es erhoben sich nun gegen sie die Herzöge der Wandalen, nämlich Ambri und Assi mit ihrem Volk und sprachen zu den Winnilern: „Entweder zahlt uns Zins oder rüstet euch zum Streit und streitet mit uns.“
Darauf antworteten Ybor und Ajo mit ihrer Mutter Gambara und sprachen: „Es ist besser für uns, zum Streit uns zu rüsten, als den Wandalen Zins zu zahlen.“
Da baten Ambri und Assi, die Herzöge der Wandalen, Godan, dass er ihnen den Sieg über die Winniler gebe.
Godan antwortete und sprach: „Die ich bei Sonnenaufgang zuerst sehen werde, denen will ich den Sieg geben.“
Zu derselben Zeit baten auch Gambara und ihre beiden Söhne Ybor und Ajo, welche die Fürsten der Winniler waren, Frea, Godans Frau, dass sie den WInnilern helfe.
Da gab Frea den Rat, wenn die Sonne aufgehe, sollten die Winniler kommen, und die Weiber sollten ihr Haar wie einen Bart ins Gesicht hängen lassen und mit ihren Männern kommen. Da ging, als der Himmel hell wurde und die Sonne aufgehen wollte, Frea, die Frau Godans, um das Bett, in dem ihr Mann lag, und richtete sein Antlitz gen Morgen und weckte ihn auf.
Und als er aufsah, so erblickte er die Winniler und ihre Weiber, denen das Haar um das Gesicht hing. Und er sprach: „Wer sind diese Langbärte?“
Da sprach Frea zu Godan: „Herr, du hast ihnen den Namen gegeben, so gib ihnen nun auch den Sieg.“
Und er gab ihnen den Sieg, so dass sie nach seinem Ratschluss sich wehrten und den Sieg erlangten. Seit der Zeit wurden die Winniler Langobarden genannt.
Die Geschichte der Langobarden, Buch 1
Kapitel 7
Die Winniler zogen also aus von Skandinavien und kamen unter der Führung des Ibor und Ajo nach dem Land, das Skoringa heißt, und blieben hier einige Jahre sitzen. Zu der Zeit nun suchten Ambri und Assi, die Heerführer der Wandalen, alle benachbarten Länder mit Krieg heim. Übermütig bereits durch viele Siege schickten sie zu den Winnilern Boten und ließen ihnen sagen, sie sollten den Wandalen entweder Zins zahlen oder sich auf Krieg gefasst machen. Da sprachen Ibor und Ajo mit Zustimmung ihrer Mutter Gambara, es sei besser, die Freiheit mit den Waffen zu schützen, als sie durch Zinszahlung zu beflecken, und ließen die Wandalen durch Gesandte wissen, sie wollen lieber streiten, als dienen. Es standen nun damals zwar alle Winniler in der Blüte des Mannesalters, aber sie waren wenig an Zahl, da sie nur den dritten Teil der Bevölkerung einer nicht gerade sehr großen Insel ausmachten.
Kapitel 8
Die alte Erzählung berichtet an dieser Stelle ein lächerliches Märchen: die Wandalen seien vor Godan getreten und haben bei ihm um den Sieg über die Winniler gefleht: Er habe geantwortet, dass er denen den Sieg verleihen wolle, die er zuerst bei Sonnenaufgang erblicke.
Darauf sei Gambara vor Frea, Godans Gemahlin getreten und habe bei ihr um Sieg für die Winniler gefleht. Frea habe den Rat erteilt, die Weiber der Winniler sollten ihr Haar wie einen Bart ins Gesicht hängen lassen, dann in aller Frühe mit ihren Männern auf dem Platze sein und sich zusammen da aufstellen, von Godan sie sehen müsse, wenn er wie gewöhnlich aus dem Fenster gen Morgen schaue. Und so sei es auch geschehen. Als sie Godan bei Sonnenaufgang erblickte, habe er gefragt: „Wer sind diese Langbärte?“ Da sei Frea eingefallen, er solle denen den Sieg verleihen, welche er jetzt selbst den Namen gegeben. Und so habe Godan den Winnilern den Sieg verliehen. Das ist indes lächerlich und nichts wert; denn nicht in der Gewalt der Menschen liegt der Sieg, vielmehr kommt er vom Himmel.
Kapitel 9
Gewiss ist jedoch, dass die Langobarden, während sie ursprünglich Winniler hießen, von der Länge ihres Barts, an den kein Schermesser kam, nachmals so genannt wurden. Denn in ihrer Sprache bedeutet das Wort logus lang, und barba Bart. Wotan aber, den sie mit Beifügung eines Buchstabens Godan nannten [1], ist der nämliche, der bei den Römern Mercurius heißt und von allen Völkern Germaniens wie ein Gott verehrt wird, jedoch nicht in dieser Zeit, sondern weit früher, und nicht in Germanien, sondern in Griechenland gewesen sein soll.
[1] Viele Handschirften haben die Lesart Guodan, was hier besser stimmt. (Anmerkung von Otto Abel)
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